Der Phoenix von Duisburg: Hüttenwerke Ruhrort-Meiderich (HRM)
Die Ruhrorter Hütte, später Hüttenwerke Ruhrort-Meiderich, wurde in den 1850er Jahren ursprünglich als “Phoenix-Hütte” gegründet. Ihre Namensverwandschaft mit dem Dortmunder Phoenix-Hüttenwerk ist dabei nicht völlig zufällig, da im Hintergrund teilweise die gleichen Unternehmer am Werke waren und man bereits 1878 gemeinsam die Lizenz für die Nutzung des Thomas-Verfahrens erwarb.
Der Duisburger Phoenix gehörte nach dem zweiten Weltkrieg und der auferlegten Entflechtung der deutschen Stahlindustrie längere Zeit als Betriebsteil zu den Hüttenwerken Ruhrort-Meiderich.
1896 erwarb Phoenix von der AG Meidericher Steinkohlenbergwerke die Zechen “Ruhr und Rhein” und “Westende”. Nachdem der Ruhrkohlenpreis zwischenzeitlich bis auf 6DM gesunken war, lohnte sich im ausgehenden 19. Jahrhundert eine eigene Steinkohlenbasis. Ein Torhaus der Zeche Westende ist noch heute auf dem Ruhrorter Areal vorhanden.
1907 fusionierten Phoenix und Hoerder Bergwerks- und Hüttenverein. Der Firmensitz wurde nach Dortmund/Hoerde verlagert. Die Zeche Nordstern wurde im gleichen Jahr übernommen.
Die Ruhrorter und die Meidericher Hütte wurden 1926 zusammengelegt, nachdem Phoenix und Rheinstahl sich in den Vereinigten Stahlwerken zusammenschlossen. Als erstes böses Omen dieses Zusammenschlusses kamen im Mai des gleichen Jahres mehrere Mitarbeiter beim Einsturz der Dächer des Fein- und Schnellwalzwerks um. Die Rationalisierungseffekte der Fusion zu den Vereinigten Stahlwerken musste vor allem die Hütte Ruhrort Meiderich tragen. Einige ihrer wichtigsten und ertragreichsten Betriebsteile wurden zugunsten der anderen Betriebe der sog. “Hüttengruppe West” (neben “HRM” die Thyssenhütte, die Niederrheinische Hütte und die Hütte Vulkan) stillgelegt.
Den Folgen der Weltwirtschaftskrise entging auch die Hütte Ruhrort Meiderich nicht. Am 20. Februar 1931 empfängt folgender Aushang die Werktätigen:
BEKANNTMACHUNG
Nunmehr sehen wir zu unserm Bedauern keine Möglichkeit mehr, die Hütte Ruhrort Meiderich weiter zu betreiben. Wir sind gezwungen, mit dem morgigen Tage, dem 21. Februar, die gesamte Hütte stillzulegen und die gesamte Belegschaft zu entlassen. Die Entlassungspapiere werden nach der letzten Schicht ausgehändigt.
Der Hüttenwerksleiter Dr.-Ing. e. h. Wilhelm Esser schied angesichts des Schicksals “seiner Hütte” freiwillig aus dem Leben. Die Werke standen anschließend tatsächlich drei Jahre still.
Wiederbelebung von Ruhrort-Meiderich während des NS-Regimes
Die Gründe für die wirtschaftliche Belebung Deutschlands ab 1933 lernt heute jedes Kind in der Schule. Sie waren es auch die dazu führten, dass die Hüttenwerke Ruhrort-Meiderich 1934 wieder in Betrieb genommen wurde. Stahl war in Zeiten der Wiederaufrüstung ein gefragtes Gut. Vor Beginn des Zweiten Weltkriegs erreichte die Hütte die gleiche Rohstahlerzeugung wie im Boomjahr 1928. 125.000 Tonnen Rohstahl werden produziert, was 7% der damaligen deutschen Gesamterzeugung entsprach. Es war die Leistung von 5.700 Beschäftigten. Zwischen 1940 und 1945 war das Werk immer wieder Ziel von Bomben- und gegen Ende auch Artillerieangriffen. Sie führten letztendlich fast zur völligen Zerstörung. Es ist rückblickend erstaunlich, dass im besetzten Ruhrort/Meiderich noch kurz vor Kriegsende bereits wieder eine Betriebstätigkeit aufgenommen und schon im Juni 1945 wieder ein Hochofen angeblasen werden konnte.
1946 wurde die Hütte, wie die gesamte Stahlindustrie, unter die Verwaltung der “North German Iron and Steel Control” gestellt. Die Hütte Ruhrort Meiderich wurde genauso entflechtet, wie die Gesamt-Konzerne der damaligen Zeit.
HRM in der Nachkriegszeit
Unter sich ändernden Vorzeichen (der kalte Krieg warf seine Schatten voraus, es galt ein westlich-kapitalistisches Bollwerk gegenüber dem “Ostblock” zu errichten), wurden die Betriebe 1951 wieder zur Hütte Ruhrort-Meiderich fusioniert. Die Wiedervereinigung folgte auf Vorschlag der Stahltreuhändervereinigung, die 1949 gegründet wurde, um den Alliierten Mächten Vorschläge zur Schaffung überlebensfähiger Unternehmen zu machen, die durch die Entflechtung geteilt worden waren. Die “HRM” hatte zu diesem Zeitpunkt bereits wieder 10.000 Beschäftigte und stellte damit zu dieser Zeit wahrscheinlich den leistungsfähigsten Duisburger Rohstahlerzeugungsbetrieb vor der ATH in Bruckhausen, der Niederrheinischen Hütte und der Hütte Vulkan. Ab 1951 heißt die Hütte Phoenix Reinrohr AG.
1965 übernahm die zu neuer Größe erblühte August Thyssen Hütte AG die Hüttenbetriebe in Meiderich und Ruhrort im Rahmen eines Betriebsüberlassungsvertrags. Die ebenfalls in der ATH aufgegangene Niederrheinische Hütte verlor ein Jahr später ihre “heisse Phase” und wurde zu einem reinen Drahtwalzwerk umfunktioniert. Ruhrort profitierte davon durch bessere Auslastung. 1969 wird ein Oxygenstahlwerk in Betrieb genommen.
1990 beschloss Thyssen den Bau eines zweiten Großhochofens am Standort Schwelgern. Er trat an die Stelle von Modernisierungen der älteren Hochöfen in Hamborn und Ruhrort, was 1994 zur Stilllegung der Ruhrorter Hochöfen führt. 1997 folgt der Verkauf der Langstahlproduktion an ISPAT (ab 2005 Mittal, ab 2007 Arcelor Mittal) und die Umfirmierung in ISPAT Stahlwerk Ruhrort GmbH führte. Das Oxygenstahlwerk Ruhrort ist bis heute in Betrieb und wird von ThyssenKrupp mit Roheisen beliefert. 2013 ging eine neue Drahtstraße in Betrieb. Eine Drahtstraße aus Zeiten der Niederrheinischen Hütte in Hochfeld wird dafür als eines der letzten Überbleibsel der Hütte abgebrochen.