Erzbergwerk Rammelsberg: Über 1000 Jahre Bergbau in Goslar
Die Geschichte der Entstehung des Erzbergwerk Rammelsberg und die Entdeckung seines Rammelsberger Erzes kannte im Nordharz früher fast jedes Kind: Der Ritter Ramm soll es gewesen sein, der dem Berg seinen Namen und seine Bestimmung gab. So heißt es, dass er sein Pferd an einem Baum festgebunden habe, um der Jagd nachzugehen. In ungeduldiger Erwartung der Rückkehr seines Herren, soll das Pferd mit seinen Hufen eine Erzader freigescharrt haben. Zu Ehren des Ritters wird der Berg „Rammelsberg“ getauft, die Stadt zu seinen Füßen „Goslar“ und somit nach seiner Gemahlin, die den Namen Gosa trug.
Wie die meisten zu schönen Geschichten, dürfte auch die Sage vom Ritter Ramm eher der Phantasie entspringen. Der Rammelsberg aber ist ohne Zweifel einer der ältesten Bergbaustandorte Deutschlands. Er kann auf eine über 1000jährige Bergbaugeschichte zurückblicken. Nach jüngsten Erkenntnissen wurde am Rammelsberg sogar bereits vor über 2000 Jahren unkoordiniert Erz abgebaut. Die Zeit der Sagengestalt des „Ritter Ramm“ und der planmäßige Abbau am Rammelsberg folgten erst viel später. Gesichert ist die Erkenntnis über das Ende der Goslarer Bergbau-Ära. Erst am 30. Juni 1988 um 13:37 Uhr, als sich die nahezu 30 Mio. Tonnen Erzvorkommen ihrem Ende zuneigten, förderten die Bergleute das letzte Erz zu Tage. Natürlich ist auch beim Rammelsberg fraglich, ob die Vorkommen denn wirklich damit erschöpft waren. Vermutungen weiterer Lagerstätten hielten sich hartnäckig und wurden auch Jahrzehnte später noch mit ehemaligen Preussag-Experten weiter erforscht.
Es könnte eines Tages mit dem Bergbau in Goslar weitergehen
Im Februar 2009 veröffentlichte das Bergbauunternehmen Scandinavian Highlands Holding Untersuchungsergebnisse ihrer Tochter Harz Minerals. Nah der Rammelsberglagerstätte wurde eine möglicherweise unbekannte, große Erzlagerstätte vermutet. Zwischen 2009 und 2010 wurden umfangreiche Bohrungen bis in 700 Meter Tiefe durchgeführt. Es wurden keine abbauwürdigen Erzvorkommen gefunden. 2015 wurden Pläne bekannt, Metalle aus den Absetzbecken am Bollrich zu gewinnen. In den Teichen haben sich wirtschaftsstrategische Metalle wie Indium, Gallium und Kobalt abgesetzt. Im Zuge der Erforschung wurden unter dem Namen „REWITA“ (Recycling bergbaulicher Aufbereitungsrückstände zur Gewinnung wirtschaftsstrategischer Metalle am Beispiel der Tailings am Bollrich in Goslar) Verfahren zur Rückgewinnung der Rohstoffe entwickelt.
Erzbergwerk Rammelsberg begründet den Aufstieg von Goslar zur einflussreichen Kaiserstadt
Eng verbunden mit der Betriebsgschichte des Rammelsbergs ist der Aufstieg der Stadt Goslar zur einflussreichsten Kaiserstadt des Mittelalters als „Rom des Nordens“. So wundert es heute nicht, dass nicht nur der Rammelsberg bereits 1992 als erstes deutsches Bauwerk seiner Art in das Weltkulturerbe aufgenommen wurde (ausgerechnet in dem Jahr, in dem der Schwesterbetrieb Erzbwergwerk Grund unweit von Goslar von der PREUSSAG ebenfalls geschlossen wurde), sondern auch die Altstadt der Stadt Goslar. Am Marktplatz Goslars erinnert zudem ein Geschenk der ehemaligen Preussag AG an die lange Bergbautradition der Stadt: Ein Glockenspiel, das die Geschichte des Rammelsberger Bergbaus darstellt.
1954 ließ die zwischenzeitlich nach dem 2. Weltkrieg verstaatlichte Preussag, bedingt durch den begrenzten Raum am Rammelsberg-Standort, wenige Kilometer entfernt eine weitere Erzwäsche am „Bollrich“ errichten. Sie wurde insbesondere für metallärmere Banderze ausgelegt und arbeitete ebenfalls nach dem Flotationsverfahren. Bedingt durch den Koreakrieg gab es eine enorme Nachfrage nach Erzen und eine erhebliche Steigerung der Weltmarktpreise. Das Erzbergwerk Rammelsberg förderte fortan auch vermehrt sog. Banderze, Erzgestein welches geringere Erzanteile hatte aber zu den gestiegenen Preisen durchaus förderwürdig war.
Rammelsberger Armerzaufbereitung am Bollrich wird errichtet
Da die bestehende Aufbereitung diese Erze kaum verarbeiten konnte, wurde die sog. Armerzaufbereitung in Auftrag gegeben. Zwischen 1951 und 1955 konnt die Erzförderung am Rammelsberg so von 191.000 auf 316.000 Tonnen im Jahr gesteigert werden. Das Armerzgestein konnte vom Rammelsberg durch einen Stollen per Grubenbahn bis zur neuen Armerzaufbereitung transportiert werden. Von dort aus wurde das Erz nach der Aufbereitung auf der Normalspur von der Bundesbahn zur Hütte in Oker transportiert. Während die Tagesanlagen des Bergwerks Rammelsberg auch aufgrund ihrer markanten Architektur weithin bekannt sind, befinden sich die Anlagen der Armerzaufbereitung einige Kilometer entfernt etwas abgelegen. Sie sind, obwohl sie ebenfalls von für heutiges Welterbe gleich mehrfach verantwortlichen Architekten Fritz Schupp entworfen wurden, eher unbekannt (sein am Entwurf der Unterharzer Hüttenwerke sowie der Rammelsberger Tagesanlagen beteiligter Partner Martin Kremmer war 1945 zwischenzeitlich bei einem Bombenangriff in Berlin gestorben).
Nach der Stilllegung der Armerzaufbereitung im Jahr 1987 kam den Gebäuden eine neue Funktion zu: Sie waren Herberge einer Elektrorecycling-Versuchsanlage, die die PREUSSAG gemeinsam mit der Deutschen Bundespost / Telekom, der Siemens AG, Alcatel SEL AG und der Noell GmbH konzipierte. Die daraus entstandenen Aktivitäten existierten später als Elektrocycling Goslar GmbH auf dem Hüttenareal in Oker/Harlingerode weiter. Heute befindet sich in den Gebäuden der Aufbereitung das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut (HHI). Am 2021 bezogenen Standort sollen vor allem Stromspeicher getestet werden. Der Fokus der Forschung liegt auf der Erprobung von Löschmitteln und der Nachnutzung ausgedienter Akkus von Elektrofahrzeugen. Getreu des Forschungsinhaltes wird der Strom für das neue Labor größtenteils durch neu montierte Solarpaneele erzeugt und in gebrauchten Akkus aus der Elektromobilität gespeichert.
Erhalt des Erzbergwerks und UNESCO-Weltkulturerbe
Der frühere Bezirkskonservator Reinhard Roseneck und ein engagierter Bürgerverein betrieben maßgeblich den Erhalt des Erzbergwerk Rammelsberg und die Aufnahme in das UNESCO-Weltkulturerbe im Jahr 1992. Es war buchstäblich fünf vor Zwölf, denn der Maschinenpark wurde bereits für die Versteigerung vorbereitet und der Abriss der Gebäude war bereits genehmigt. Seit 1998 kann das Bergwerk Rammelsberg vollständig besichtigt werden. Hierzu gehören 20.000qm Gebäudefläche und auch Einblicke in die noch zugänglichen Stollen Unter Tage. Die Aufkleber der bereits vorbereiteten Versteigerung kann man heute noch auf mancher Maschine finden.
Ein Besuch des Rammelsberg-Besucherbergwerks ist eine tolle Erfahrung für jeden Bergbauinteressierten, aber auch für „normale“ Touristen. Über und unter Tage können hier die Arbeitsstätten der Bergleute noch sehr authentisch besichtigt werden. Denn das Museum nimmt den Denkmalschutz sehr Ernst und versucht durch Auflagen notwenige Eingriffe so unauffällig wie möglich in die erhaltenen Anlagen zu integrieren Darüber hinaus wird die maschinelle Einrichtung nicht nur erhalten, sondern soweit wie möglich auch betriebsfähig gehalten oder (wie z. B. im Fall des Schrägaufzugs) die verlorene Betriebsfähigkeit sogar nachträglich wieder hergestellt. So sind z. B. auch der Wagenumlauf und die Fördermaschine noch funktionsfähig. Das ist ein vorbildlicher und leider nicht selbstverständlicher Umgang mit einem bedeutenden industriellen Erbe in Deutschland.
George Clooney kommt nach Goslar zum Erzbergwerk Rammelsberg
In der jüngeren Vergangenheit war das Erzbergwerk Rammelsberg mehrmals Schauplatz von Fernseh- und Kinoproduktionen. So entstanden 2003 Szenen des Films „Das Wunder von Lengede“ im Rammelsberg und der Armerz-Aufbereitung (hierfür wurden aufwendige Beckenkonstruktionen in das Gebäude integriert, um die eindringenden Wassermassen im Film realitätsgetreu darstellen zu können). 2013 war der Rammelsberg auch Drehort des Kinofilms „The Monuments Men“, dessen Dreharbeiten eine regelrechte „George-Clooney-Euphorie“ im Harz ausgelöst hatten.
Alles aus den folgenden vier Foto-Galerien (Bilder vom Rammelsberg und den Tagesanlagen, Bilder aus der Erzaufbereitung am Rammelsberg, Bilder von Unter Tage, Bilder aus der ehemaligen Armerzaufbereitung am Bollrich in Goslar-Oker) und noch vieles mehr gibt es am und im Rammelsberg zu sehen:
Rammelsberg und die Tagesanlagen
Bilder aus der Erzaufbereitung am Rammelsberg
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Fotos von Unter Tage
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Ehemalige Armerzaufbereitung am Bollrich in Goslar-Oker